Schritt für Schritt zum IoT-Retrofit – Teil 2
Die Maschinen oder Anlagen sind mit Sensorik ausgestattet, die Steuerungen – falls erforderlich – auf den aktuellen Stand gebracht. Nun gilt es, die steuerungsabhängigen Protokolle mit den über verschiedene Technologien übertragenen Sensordaten in eine einheitliche Industrie 4.0-konforme Kommunikation zu übersetzen. Beim Aufbau der Netzwerkinfrastruktur sind viele Faktoren zu berücksichtigen, da sich die verfügbaren Kommunikationstechnologien hinsichtlich maximaler Leitungslänge oder Reichweite, Übertragungsgeschwindigkeit und Zykluszeit unterscheiden.
Gerade bei einem industriellen IoT-Retrofit werden noch vermehrt analoge Sensoren eingesetzt, deren Messwerte von einem Buskoppler in ein digitales Signal umgewandelt werden müssen. Die Übertragung der Messwerte externer Sensoren zum I/O-Feldgerät kann entweder analog oder digital erfolgen. Buskoppler, welche das Eingangssignal meistens in einen der gängigen industriellen Feldbusse übersetzen, sind nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum IIoT-Gateway. Der direkte Weg ist den Sensorsystemen mit integrierter Analog-Digital-Wandlung geebnet. Sie kommunizieren via Ethernet-basierender Protokolle mit dem Industrial Internet of Things-Gateway oder lassen sich an diesem über serielle/parallele Datenschnittstellen anschließen. Ad-hoc-Netze wie WLAN oder Bluetooth für die Funkübertragung der Sensordaten im Nahbereich erfordern ebenfalls einen Zusatz: Einen Access Point, der die Daten in ein Ethernet-basierendes Format überführt.
IIoT-Gateway – das Tor zur Datenplattform
Dass ein IIoT-Gateway automatisch auch alle Sensorik-Kommunikationsformen unterstützt, ist leider nicht der Fall. Seine Auswahl hängt von der erforderlichen Sensorik ab. Auch muss ein IIoT-Gateway nicht immer ein separates Gerät sein. Die Hauptaufgabe eines IIoT-Gateways kann durchaus von einem Industrie-PC ausgeführt werden oder bereits als Funktionalität in einer aktuellen Steuerung enthalten sein. „Das kann jedoch die Zykluszeit der SPS verlängern“, warnt Jörg Peters, Geschäftsführer der INSEVIS Gesellschaft für industrielle Systemelektronik und Visualisierung mbH. Die Alternative aus dem Hause INSEVIS: das S7-IIoT-Gateway. Es besteht aus der bewährten Hardware einer S7-kompatiblen SPS mit diversen seriellen und Ethernet-Protokollen, zu denen unter Linux die IIoT-Funktionen und mit NodeRED ein neuartiges Tool zur Erstellung von Grafiken, Kommunikationen und Datenvorverarbeitungen hinzugefügt wurden.
Um die unterschiedlichen digitalen Protokolle und Übertragungstechnologien der Sensordatenquellen in eine einheitliche Industrie 4.0-konforme Kommunikation zu übersetzen, ordnen die Gateways den Messwerten unter anderem Zeitstempel und Metadaten zu. In diesen zusätzlichen Metainformationen steckt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen der einzelnen Industrie 4.0-Kommunikationstechnologien. Darüber hinaus differenzieren sie sich auch in der Art der Nachrichtenverteilung. Unterstützen Sensoren bereits diese Kommunikationstechnologien, können sie – ebenso wie die IIoT-Gateways – ihre Daten der Datenplattform auch über Mobilfunk zur Verfügung stellen. Doch Vorsicht: auch wenn mit zunehmender Verbreitung des 5G-Mobilfunkstandards immer mehr Unternehmen ihre eigene 5G-Mobilfunkzelle aufbauen, so ist auch dann eine gesicherte Kommunikation durch Verschlüsselung zu empfehlen. Besonders, wenn sich die Datenplattformen – das finale Ziel der Sensordaten – in einer aus dem Internet erreichbaren Cloud-Lösung befindet.
Landen auf der Datenplattform
Sämtliche Sensordaten – ob vom IIoT-Gateway kommend oder über Mobilfunk übertragen – werden auf einer Datenplattform gesammelt, analysiert und für den effizienten Zugriff, beispielsweise über HTTPS, durch Endgeräte und weitere Systeme wie ERP oder MES aufbereitet. Auch Daten von weiteren Quellen sowie von internen oder externen Services landen auf der Plattform. Doch sie kann weit mehr als nur Daten sammeln und zur Verfügung stellen: ausgestattet mit zusätzlichen Applikationen für Analyse- und Auswertezwecke, ist sie Dreh- und Angelpunkt für die automatisierte Echtzeitdatenerfassung. Diese Daten können unter anderem Zustands-, Energieverbrauchs- oder Verlaufsinformationen sein. Werden Abweichungen in den erfassten Daten festgestellt, zeichnen sich moderne Plattformen dadurch aus, dass sie über die Abweichungen direkt informieren beziehungsweise auch direkte digitale Prozesse starten, wie zum Beispiel einen Instandhaltungsprozess.
Das lässt bereits erahnen, dass sich auf einer Datenplattform im Laufe der Zeit immense Datenmengen ansammeln. Um einen Engpass zu umgehen, gibt es aber verschiedene Möglichkeiten. Eine davon spiegelt der aktuelle Trend zu intelligenter Hardware für die Nachrüstung von Bestandsmaschinen wider. Der Gedanke dahinter: vermehrt Daten im Edge, also im Sensor oder an der Maschine direkt, zu verarbeiten und nur die relevanten Daten weiter auf die Plattform wandern zu lassen. Ein anderer Ansatz ist es, die Daten zur Applikation zu bringen und nicht umgekehrt. Im Fall einer Zustandsüberwachung nachgelagerter Systeme heißt das also, diese Anwendung auf den Systemen einzurichten und die benötigten Daten über die Schnittstellen der Datenplattform abzugreifen. Und nicht zuletzt schafft die Skalierbarkeit die Möglichkeit zur Erweiterung – aber nicht unbedingt im eigenen Unternehmen.
Pro und Contra für das Hosting in der Cloud
Lassen sich aus Prozess- oder Maschinendaten Rückschlüsse auf Geschäftsgeheimnisse ziehen, dann ist die Datenplattform ohne Zweifel im eigenen Unternehmen am besten aufgehoben. Sie im Haus zu lassen bietet zudem den Vorteil, dass man sie den eigenen Bedürfnissen anpassen kann. Aber genau wie die Individualisierung brauchen auch Betrieb und Lifecycle Management Mitarbeiter mit dem nötigen Know-how. Angesichts des Fachkräftemangels in diesem Bereich ist diese Lösung in der Regel nur für größere Unternehmen wirtschaftlich tragbar. KMUs bleibt meistens der – oft gefürchtete – Schritt in die Abhängigkeit eines Dienstleisters, um Aufwand und Kosten für den Betrieb der Datenplattform im Zaum halten zu können.
Profis für Gateways und IIoT-Kommunikation bei Ihrem IoT-Retrofit Projekt finden Sie auf der all about automation, bei den im Beitrag erwähnten Unternehmen Insevis, Wieland Electric und N+P Informationssysteme sowie bei vielen anderen.
Die Auslagerung bietet aber zusätzliche Vorteile, darunter die Ausfallsicherheit. Ein nicht zu unterschätzender Faktor in einem System, das nur im Zusammenspiel funktioniert. Zudem sind Cloud-Systeme meist skalierbar und nach Bedarf erweiterbar. Und ganz wichtig: Man kann viel schneller von neuen Technologien wie KI oder Machine Learning profitieren. Denn diese Intelligenz lebt nun mal von der Cloud, weshalb es sinnvoll ist, die Daten auch dort hinzubringen. Echtes Multi-Cloud, also das problemlose Verschieben von Anwendungen von einer Cloud in die andere, ist allerdings noch Zukunftsmusik. Deshalb sollte man bei der Wahl seines Dienstleisters auch beachten, ob seine Services an einen Cloud-Anbieter gebunden sind oder ob er seine Dienste in einem Hybrid-Cloud-Modell zur Verfügung stellt.
Um den Einstieg in die IIoT-Kommunikation zu vereinfachen, bietet zum Beispiel Wieland Electric die WIENET-IoT-Gateways Starterkits, die unter anderem ein Jahr kostenlose Nutzung des WIENET-Cloud-Portals beinhalten. Damit lassen sich unter anderem Funktionen wie Visualisierung von Maschinendaten, Condition Monitoring oder Alarm bei der Überschreitung von Schwellwerten testen. Die WIENET-Cloud ist ein Ende-zu-Ende-verschlüsseltes, skalierbares virtuelles Datencenter, das sich jederzeit erweitern lässt. Auch N+P Informationssysteme bietet Interessenten mit einer IoT-Box die erforderliche Hard- und Software, um in einem einmonatigen Pilotprojekt die individuellen Vorteile von IoT in der Praxis zu testen.
Wer die Vorteile eines IoT-Retrofits bereits für sich entdeckt hat und dabei ist, seine Bestandsmaschinen aufzurüsten, der sollte bedenken, dass die Maschine eventuell eine neue Zulassung braucht. Wann dies der Fall ist, lesen Sie in Teil 3.